adaptive user interfaces in der medizin
Kenny R. Lienhard
Chief Technology Officer
medignition AG
07.02.2021
Das Gesundheitssystem hat eine Vielzahl von Stakeholdern (z. B. Patienten, Ärzte und Pflegepersonal) mit teilweise sehr unterschiedlichen Ansprüchen. Dies macht die Gestaltung von Informationstechnologien im Gesundheitswesen besonders komplex. Der Versuch, alle Stakeholder-Anforderungen zu erfüllen, führt oft zu einer «One-Size-Fits-All»-Technologie, die in Wirklichkeit niemandem passt. medignition hat nun eine neuartige Telemedizin-Technologie entwickelt, die ihre Benutzeroberfläche dynamisch an die spezifischen Bedürfnisse des einzelnen Nutzers anpasst. Dieser Artikel stellt unser Modell für die Entwicklung einer adaptiven Telemedizintechnologie vor.
In unserer Forschung haben wir drei Schlüsselkonzepte identifiziert, die die Individualisierung einer Benutzeroberfläche ermöglichen: Wissensbasis, Nutzerrollen und individuelle Präferenzen. Eine Benutzeroberfläche sollte auf der vorhandenen Wissensbasis (z. B. wissenschaftliche Theorien, Methoden und Erfahrungen) aufbauen. Die Wissensbasis bestimmt das Aussehen und das Verhalten von Benutzeroberflächen. Benutzeroberflächen-Elemente wie Navigation, Sucheingabefelder und Datentabellen beziehen sich auf die Wissensbasis und machen Benutzeroberflächen effektiver, da sie leichter zu erlernen, zu merken und zu benutzen sind. Weiter haben wir verschiedene Nutzerrollen definiert, die typischerweise in einem Telemedizin-Service vorkommen (z. B. Technische Mitarbeiterin, Augenärztin und Administration). Gerade in einem Start-up-Unternehmen hat ein Nutzer oft mehrere Rollen bei der Bereitstellung von Services. Zum Beispiel kann dieselbe Person sowohl für die Untersuchungsplanung als auch für die Rechnungen zuständig sein. Jede Rolle beschreibt die zu erfüllende Aufgabe eines Nutzers im Allgemeinen und die benötigten Systemfunktionalitäten und Datenobjekte im Speziellen. Individuelle Präferenzen sind das dritte Schlüsselkonzept, das die Individualisierung einer Benutzeroberfläche bestimmt. Medizinisches Wissen und Computerkenntnisse sind die Hauptfaktoren für die individuellen Präferenzen eines Nutzers.
Wissensbasis, Nutzerrollen und individuelle Präferenzen charakterisieren eine adaptive Benutzeroberfläche. Wir haben festgestellt, dass sich einer adaptiven Benutzeroberfläche mit drei Elementen beschreiben lässt: Sprache, Dateneingabe und Visualisierung. Die Sprache beschreibt zum Beispiel die Art und Weise, wie Fehlermeldungen kommuniziert werden. Die Verwendung von Fachjargon kann sich zwischen einem medizinischen Experten (z. B. einer Augenärztin) und Personen außerhalb des medizinischen Bereichs (z. B. eine Buchhalterin) unterscheiden. Die Dateneingabe kann variieren, da die Nutzer unterschiedliche Anforderungen an das Qualitätsmanagement haben. Die persönlichen Kontakte eines Patienten sind beispielsweise für die Augenärztin, die die medizinischen Daten des Patienten aus der Ferne analysiert, weniger wichtig. Gültige Kontakt-E-Mail-Adressen werden jedoch entscheidend, wenn das System Angehörige und den Hausarzt über Untersuchungsergebnisse informiert. Die Visualisierung unterscheidet unter anderem zwischen Anwendern, die ausschliesslich an Echtzeitdaten interessiert sind (z. B. eine technische Mitarbeiterin, die während einer Untersuchung eine Aufgabenliste abarbeitet) und Anwendern, die Daten im Kontext sehen möchten (z. B. eine Augenärztin, die sich die Historie medizinischer Bilder ansieht).
Für unsere Tochterfirma Augenmobil haben wir das hier vorgestellte Modell in einer innovativen Telemedizin-Technologie implementiert. Das Modell hat sich als sehr hilfreich erwiesen, sowohl um anfänglichen als auch um zukünftigen Nutzeranforderungen gerecht zu werden. Seit der Gründung der Augenmobil AG im Jahr 2019 hat sich das Telemedizin-System von Augenmobil stetig weiterentwickelt. Das hier vorgestellte Modell für adaptive Benutzeroberflächen hat sich auf dieser Reise als äusserst nützlich erwiesen.